Der Wohlstand der Aargauer und Zürcher ist in zehn Jahren kaum gestiegen
- Yannick Güttinger

- 30. Okt. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juli

Das reale Wirtschaftswachstum pro Kopf ist im Kanton Zürich zwischen 2012 und 2022 nur um 1,8 Prozent gestiegen. Im Kanton Aargau waren es sogar nur 1,2 Prozent, während der Kanton Appenzell Innerrhoden um satte 26 Prozent zulegte.
Warum das wichtig ist: Wirtschaftsvertreter wie diejenigen des Dachverbands Economiesuisse heben die Bedeutung des Bevölkerungswachstums für die wirtschaftliche Entwicklung hervor. Der interkantonale Vergleich zeigt ein differenziertes Bild:
Bei einem Bevölkerungswachstum von nur fünf Prozent in zehn Jahren erzielte Appenzell Innerrhoden ein Pro-Kopf-Wachstum von über einem Viertel, während Zürich bei einem Bevölkerungswachstum von über 17 Prozent in zehn Jahren das Pro-Kopf-Wachstum kaum steigern konnte.
Die Ausgangslage: Das Bundesamt für Statistik (BFS) meldete in einer Medienmitteilung: «2022 ist das BIP in allen Kantonen gestiegen». Dies ist das Fazit der Berechnungen des BFS in absoluten Zahlen zu Preisen des Vorjahres. Wir haben die Zahlen geprüft.
In Zahlen: Unter Berücksichtigung der Teuerung im Jahr 2022 und des Bevölkerungswachstums weisen drei Kantone im Jahr 2022 ein negatives reales Wirtschaftswachstum pro Kopf auf: Schaffhausen (minus 1’450 Franken), Waadt (minus 1’132 Franken) und Basel-Stadt (minus 659 Franken).
Den Spitzenplatz belegt der Kanton Zug mit einer Zunahme von fast 13’000 Franken innert eines Jahres – und dies, obwohl Zug mit einem BIP pro Kopf von 182’418 Franken (in 2022 Franken) bereits 2021 auf einem hohen Niveau lag.
An zweiter Stelle liegt Genf mit einer Zunahme von 6’500 Franken, an dritter Stelle das Tessin mit 4’583 Franken mehr Wirtschaftsleistung pro Person im Jahr 2022.
Die Wirtschaftsmotoren: Trotz eines leichten Rückgangs im Jahr 2022 bleibt der Kanton Basel-Stadt mit einem BIP pro Kopf von 214’474 Franken der leistungsstärkste Kanton der Schweiz, gefolgt von den Kantonen Zug (195’401 Franken) und Genf (126’134 Franken).
Am anderen Ende des Spektrums liegen die Kantone Freiburg (65’250 Franken), Wallis (62’207 Franken) und Uri (59’447 Franken).
The Big Picture: Betrachtet man das relative Wirtschaftswachstum über einen längeren Zeitraum, zeigt sich, wo die Schweiz am meisten gewachsen ist.
Der Wirtschaftsmotor Basel-Stadt hat mit einem kontinuierlichen Wachstum von fast einem Viertel über zehn Jahre überzeugt, während Genf mit einem Wachstum von gut neun Prozent seit 2012 im Schweizer Durchschnitt liegt.
Auch die Kantone Zug und Tessin konnten trotz bereits hohem BIP pro Kopf mit einem Wachstum von rund einem Fünftel mithalten, wurden aber von den Westschweizer Grenzkantonen Neuenburg und Jura übertroffen (beide 23 Prozent Wachstum zwischen 2012 und 2022).
Am stärksten hat der Wohlstand jedoch im Kanton Appenzell Innerrhoden zugenommen. Mit einem Zuwachs von fast 27 Prozent innerhalb von zehn Jahren hat der Kanton drei Plätze in der Rangliste gut gemacht.
Das schwächste Wachstum über zehn Jahre weisen die Kantone Aargau (1,2 Prozent) und Zürich (1,8 Prozent) auf. In absoluten Zahlen hat der Pro-Kopf-Wohlstand in diesen Kantonen zwischen 2012 und 2022 lediglich um 828 Franken bzw. 1’850 Franken zugenommen.
In den Corona-Jahren 2020 und 2021 lag der Wohlstand pro Kopf in diesen Kantonen gar unter dem Niveau von 2012.
Meine Einschätzung: Economiesuisse mag Recht haben, dass Bevölkerungswachstum wirtschaftliche Impulse geben kann: Mehr Einwohner bedeuten aber längst nicht automatisch mehr Wohlstand. Das beste Beispiel dafür ist der Kanton Zürich. Trotz starkem Bevölkerungszuwachs bleibt das Pro-Kopf-Wachstum minimal, während Appenzell Innerrhoden mit einem bescheidenen Bevölkerungswachstum den Wohlstand pro Kopf deutlich steigert. Entscheidend ist nicht, wie viele Menschen in einem Kanton leben, sondern, wie produktiv die Wirtschaft ist und wie hoch die Wertschöpfung pro Kopf ist. Die Schweiz braucht also nicht nur Wachstum, sondern auch die richtigen Rahmenbedingungen für nachhaltigen Wohlstand – und dabei darf die Personenfreizügigkeit mit der EU keine heilige Kuh mehr sein. Gleichzeitig scheint das Bundesamt für Statistik aus Angst vor negativen Schlagzeilen über das Bevölkerungswachstum die Pro-Kopf-Zahlen zu verschleiern und in ein positives Licht zu rücken.
Dieser Beitrag wurde zuerst im «Nebelspalter» veröffentlicht. Siehe hier: Link














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